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Ausgangssituation

Der geringe Einsatz automatischer Verladesysteme (Abb. 1) in Verbindung mit den zum Teil fehlenden Kenntnissen über derartige Ladesysteme hat den Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) veranlasst, im Rahmen zweier Forschungsprojekte ein rechnergestütztes Planungswerkzeug für Umschlagbereiche zu entwickeln, das es ermöglicht, in kurzer Zeit Rationalisierungspotenziale einer automatisierten gegenüber einer manuellen Lkw-Verladung im jeweiligen Anwendungsfall abzuschätzen [Günthner92], [Günthner97b], [Günthner99a]. Des Weiteren wird eine Grobauswahl der hierfür geeigneten automatisierten Umschlagtechnik durchgeführt.

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Abbildung 1: Automatisches Verladesystem (Quelle: Westfalia)

Dabei hat das rechnergestütztes Planungswerkzeug nicht die Aufgabe, die heuristischen Tätigkeiten eines Planers zu ersetzen, sondern soll ihn dabei unterstützen, aufwandsarm die wichtigsten Kenngrößen zu ermitteln.

Um die bestmögliche Nutzbarmachung des Werkzeugs in Hinblick auf einen praxisbezogenen Einsatz zu erreichen, wurde es nun in mehreren Pilotanwendungen erprobt. Dieser planungsbegleitende Einsatz ist sowohl für eine Aufdeckung möglicher Schwachstellen, als auch für eine Weiterentwicklung des Planungswerkzeugs im Hinblick auf die Methodik selbst und seine benutzerfreundlichere Handhabung in der Praxis unverzichtbar [Günthner00]. Die bei der Anwendung gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen wurden darüber hinaus zu einer Verifizierung der Planungssystematik ex ante herangezogen.

Planungsunterstützendes Werkzeug

Das planungsunterstützende Werkzeug gliedert sich in zwei Teilmodule, die zum einen die technischen und zum anderen die wirtschaftlichen Randbedingungen des jeweiligen Anwendungsfalls durchleuchten. Für jedes dieser beiden Teilmodule sind durch die Ist-Datenerfassung die projektspezifischen Gegebenheiten anzugeben. Aus technischer Sicht hängt der Einsatz automatisierter Verladesysteme z.B. von folgenden Einflussgrößen ab (Auszug):

  • Eigenschaften des Stückguts

  • Beschaffenheit der Rampe

  • Transportabwicklung

  • Fuhrpark

Aus wirtschaftlicher Sicht werden beispielsweise die

  • Investitionskosten

  • Personalkosten

  • Betriebskosten

der jeweiligen Techniken automatischer Umschlagsysteme ausgewertet und mit der momentan - meist manuellen - Ist-Situation verglichen. Dabei erhebt das Werkzeug nicht den Anspruch einer detaillierten Feinplanung mit zugehöriger Kostenrechnung. Vielmehr ermittelt es mit einer für eine Grobplanungsphase ausreichenden Genauigkeit die wirtschaftlichen Kennzahlen der jeweiligen Planungsvariante.

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Abbildung 2a: Auszüge aus der Ist Datenerfassung: Kostenermittlung

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Abbildung 2b: Auszüge aus der Ist-Datenerfassung: Technische/organisatorische Voraussetzungen

Vorgehensweise

Eine Verifizierung ex post der erarbeiteten Planungssystematik ist bereits erfolgt [Günthner00]. Der Zweck des Werkzeugs ist der harte planungsbegleitende Einsatz, bei dem vor allem die Vorteile der Rechnerunterstützung zum Tragen kommen. Zur Generierung und bei der Durchführung der Pilotprojekte waren die wichtigsten zu durchlaufende Schritte:

  • Kontaktaufnahme mit potenziellen Anwenderfirmen unterschiedlicher Branchen

  • Erfassung der Ist-Situation: bei den Pilotfirmen wurden vor Ort die notwendigen Daten und Randbedingungen für die Untersuchung und Planung aufgenommen

  • Auswertung mit Hilfe des Planungswerkzeugs: mit Hilfe des Planungswerkzeugs wurde die Ist-Situation bewertet und eine Auswahl nach technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten der geeigneten Umschlagtechnik getroffen

  • Kontaktaufnahme mit Herstellern: für das ausgewählte Umschlagsystem wurde ein Lastenheft erstellt und erste Gespräche mit den jeweiligen Herstellerfirmen geführt.

  • die aus der Praxis gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungswerte flossen in eine Optimierung der Bewertungsalgorithmen und in die Benutzerführung des Planungswerkzeugs ein.

Pilotprojekte

Zur Generierung von Pilotanwendungen wurden ca. 300 potenzielle Anwenderfirmen angeschrieben. Diese Firmen wurden in erster Linie aufgrund eines zu erwartenden hohen Palettenumschlags ausgewählt. Durch das Angebot einer unentgeltlichen Analyse des Umschlagbereichs wurde Interesse an einer Kooperation bezüglich Ist-Datenerfassung und Auswertung mit Hilfe des Planungswerkzeugs geweckt. Eine weitere begleitende Beratung bei der Umsetzung der durch die Analyse als optimal erkannten Lösung wurde in Aussicht gestellt. Diese Anfragen beantworteten vor allem Getränkeabfüllern und Speditionen sehr zügig und positiv.

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Abbildung 3: Interessierte Unternehmen nach Branchen

Um die Ist-Daten-Aufnahme vor Ort zeitlich effizienter zu gestalten, wurde ein Fragebogen erarbeitet, der vorab an die Ansprechpartner der interessierten Unternehmen geschickt wurde. Der Fragebogen enthielt vorrangig Punkte, zu denen es seitens der Ansprechpartner zur Bereitstellung der Daten eine gewisse Vorlaufzeit bedurfte.

Zudem konnte man auf diese Weise die Themenkreise des bevorstehenden Gesprächs vorab gut umreißen und dahingehend für die Gespräche bei den Ist-Daten-Aufnahmen entsprechende Experten aus den Betrieben zusätzlich hinzuziehen. Um eine effiziente und vollständige Ist-Daten-Aufnahme sicherzustellen, wurde anhand der für die Anwendung des Planungswerkzeugs erforderlichen Daten ein Leitfaden für die Befragung vor Ort erstellt.

Für die Gespräche vor Ort ergab sich dadurch eine merkliche Beschleunigung der Ist-Daten-Aufnahme. Eine Besichtigung der Betriebe, speziell der entsprechenden Umschlagsbereiche, rundete die Ortstermine ab. Dabei konnten bereits verschiedene Schwachstellen erörtert und mögliche Modifikationen diskutiert werden. Zahlreiche Antworten bei der Befragung wurden im Rahmen der Besichtigungen konkretisiert.

Durch den großen Anteil an Getränkeherstellern ergab sich die interessante Möglichkeit, den Einsatz des Planungswerkzeugs bei ähnlichen Rahmenbedingungen zu testen.

Da die jeweiligen Problemstellen branchenintern auf die übrigen Getränkehersteller übertragbar waren, konnten bei diesen Unternehmen zudem sehr fundierte und problembezogene Datenerhebungen vorgenommen werden.

Einzelne, vor Ort nicht ermittelbare, Werte wurden im Anschluss an die Gespräche übermittelt, so dass der Einsatz des Planungstools für alle gestarteten Projekte gewährleistet war.

Modifikationen der Planungssystematik entstanden aus der Erfahrung der spezifischen Probleme der Branchen:

  • Speditionen und Logistikdienstleister: Speditionen in die Untersuchung mit einzubeziehen war sinnvoll, wenn neben der reinen Speditionstätigkeit auch Dienstleistungen in Hinblick auf (Zwischen-) Lagerung durchgeführt wurden.

  • Getränkeabfüller: Hier stellte sich bei den meisten Befragungen der verwendete Fuhrpark als problematische Randbedingung dar. Einerseits wurden aus Gründen des Corporate Identity sehr spezifische Lkw verwendet, für die automatisierte Umschlagtechnik kaum realisierbar ist. Andererseits erfolgt bei einigen Unternehmen (Brauereien) ein nicht zu vernachlässigender Teil des Umsatzes durch Selbstabholung der Kunden. Ein standardisierter Umschlag kann somit hier nicht mehr vorausgesetzt werden.

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Abbildung 4: Spezifische Lkw beschränken Einsatzmöglichkeiten

Auswertung mit Hilfe des Planungswerkzeugs

Die vor Ort erhobenen Daten wurden zusammengestellt, entsprechend aufbereitet und in das rechnergestützte Planungswerkzeug übernommen. Aufgrund der eingegebenen Ist-Daten ergab sich in der ersten Auswertung für praktisch alle untersuchten Umschlagbereiche und alle automatisierten sowie teilautomatisierten Umschlagtechniken in der technischen Beurteilung nur sehr niedrige Zugehörigkeitsgrade oder das Fehlen von Einsatzvoraussetzungen.

Diese Tatsache belegt die Wichtigkeit der im Planungswerkzeug hinterlegten Funktionalität, dass zur Verbesserung der Zugehörigkeitsgrade bzw. zur Beseitigung von Ausschlusskriterien Gestaltungshilfen generiert werden. Teilweise im nachträglich geführten Dialog mit den Ansprechpartnern der untersuchten Unternehmen wurden die Gestaltungshilfen diskutiert und bezüglich ihres Realisierungsaufwands abgeschätzt. Nach der damit vorgenommenen Groboptimierung der Systemauswahl wurde bei sämtlichen Pilotprojekten eine Feinoptimierung durchgeführt. Im Hinblick auf die Gegebenheiten im Unternehmen und aufgrund der Erfahrungen aus der Groboptimierung wurden weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Zugehörigkeitsgrade vorgenommen.

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Abbildung 5: Beispiel für Eignungsgrade nach Feinoptimierung

Nach diesem Schritt kristallisierten sich in allen Projekten die technisch sinnvollsten Realisierungsformen für (teil-)automatisierte Umschlagtechnik heraus. Diese wurden in der nachfolgenden Untersuchung der Wirtschaftlichkeit näher beleuchtet.

Hierbei ergaben sich für die einzelnen Projekte große Unterschiede hinsichtlich des Kostenpotenzials. So musste bei einigen Pilotprojekten aufgrund der Ergebnisse der Kostenanalyse durch das Planungswerkzeug von einer Automatisierung des Umschlagbereichs abgeraten werden. Bei anderen hingegen wurden erhebliche Rationalisierungspotenziale aufgezeigt. Durch verschiedene Ergebnisvisualisierungen ließ sich die Plausibilität des Resultats ableiten. Im Weiteren wurde dadurch eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Kostenanalyse über die reine Angabe der Kosten der Verladung pro Betriebsstunde hinaus ermöglicht. Dies legte auch die Grundlage für den weiteren Dialog mit den Ansprechpartnern der Pilotprojekte.

Fazit

In einigen der im Rahmen der Pilotprojekte untersuchten Umschlagbereichen wurden durch den Einsatz des Werkzeugs vor allem in der Getränkeindustrie erhebliche Rationalisierungspotenziale aufgezeigt [Günthner99a].

Wichtige Grundvoraussetzungen für einen effizienten und wirtschaftlich sinnvollen Einsatz von automatisierter Verladetechnik sind:

  • Hoher regelmäßiger Umschlag von standardisierten Ladeeinheiten

  • Geringe Fahrzeit und damit hoher Zeitanteil der Verladung an der Gesamttransportzeit

Darüber hinaus unterliegt der jeweilige Anwendungsfall weiteren entscheidungskritischen Randbedingungen. Der Trend zum Outsourcing vor allem der außerbetrieblichen Transportaufgaben an Speditionen erschwert den Einsatz automatisierter Verladetechnik. In nahezu allen untersuchten Unternehmen bestand die Situation eines fremdbetriebenen Fuhrparks. Da bei vielen automatischen Verladesystemen Aufbauten auf den Lkw-Aufliegern nötig sind, bedarf es hierbei einer starken und auch langfristigen Kooperationsbereitschaft zwischen Verlader und Fuhrparkbetreibern. Nur wenn sich eine Automatisierung für beide lohnt, kommt es zu einer raschen Umsetzung. Hierbei wurde allerdings die Erfahrung gemacht, dass die Branche eher kurzlebig und oft durch den Einsatz von Frachtbörsen geprägt ist.

Grundsätzlich sei erwähnt, dass aus den Erfahrungen der verschiedenen Pilotanwendungen bezüglich einer Automatisierung des Umschlagsbereiches übergeordnete unternehmens-philosophische Fragestellungen voranzustellen sind: hierbei bedeutet ein Mehr an Automatisierung im Umschlagbereich immer einen Zielkonflikt zwischen Automatisierung und Flexibilität. Dahingehend müssen die Randbedingungen des Anwendungsfalls auch über einen längeren Zeitraum hin absehbar sein. Gerade die Getränkeindustrie ist aber momentan durch starke Veränderungen bezüglich der Variantenvielfalt der angebotenen Produkte geprägt. Diese Entwicklung mindert eine grundsätzliche Bereitschaft zur Investition vor allem in Automatisierungstechnik.

 

Hinweis

Dieses Forschungsprojekt (Einführung von rechnergestützten Hilfsmitteln zur Planung automatisierter Verladesysteme AiF-Vorhaben-Nr. 13377 N wurde im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V. durchgeführt und aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" e.V. (AiF) gefördert.

 

 

Literatur

[Freudl01]

Freudl, Gunther: Abschlußbericht: Automatisiertes und datenbankgestütztes Hilfsmittel für dynamische Planungsprozesse von Umschlagbereichen Forschungsvorhaben (AiF-FV-Nr. 12377N) München 2001

[Günthner92]

Günthner, Willibald A.: Be-und Entladetechnik bei hohem Palettenumschlag. In: Brauindustrie (1992) 3, S. 200 – 204

[Günthner97b]

Günthner, Willibald A.: Automatiersierung des Stückgut-Umschlags. In: Hebezeuge und Fördermittel (1997) 5, S. 186-187

[Günthner99a]

Günthner, Willibald A.: Freudl, G.: Automatisierter Stückgutumschlag: Welche Möglichkeiten bietet der Markt dem Verlader?

[Günthner99b]

 

Günthner, Willibald A.: Freudl, Gunther: Grenzwertbetrachtung; Alternativen zur Staplerverladung – wann ist eine Automatisierung sinnvoll?

[Günthner99c]

Günthner, Willibald A.: Freudl, Gunther: Automatische Be- und Entladesysteme. In: Kongreßband zum 2. VLB Logistikfachkongreß „Optimierungspotenziale in der Getränkelogistik“, Frankfurt / Oberursel, 1999

[Günthner00]

Günthner, Willibald A.: Freudl, Gunther: Erarbeiten der Einsatzfelder, Vorraussetzungen und Möglichkeiten zum automatisierten Be- und Entladen von Stückgütern bei Lastkrafwagen und Eisenbahngüterwagen; Abschlussbericht des gleichnamigen AiF-Forschungsprojektes 11440 N. Utz-Verlag, 2000

 

Lizenz

Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch über­mitteln und zum Download bereit­stellen. Der Lizenztext ist im Internet unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html abrufbar.

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